Ignoranz oder Kalkül?

Die NFM/SFM jährt mal wieder. Und wie immer in den letzten Jahren ärgere ich mich über die anachronistische Vorschrift der Ausschreibung unter der Rubrik „Formate und Aufmachung“.
Die Tatsache, dass nur geschnittene Passepartouts zulässig sind, erweckt den Eindruck der Verband wäre entwicklungsmäßig in den Siebzigern stehen geblieben.
„Bei einem Passepartout versteht man, dass das Bild in ein Passepartout eingepasst wird (das Bild also hinter dem Passepartout befestigen).“ Originalzitat Ende.
Haben die Verantwortlichen wohl schon jemals den Begriff „Optisches Passepartout“ gehört?
Diese zeitgemäße Form der Präsentation ist der Standard seitdem es Fotodrucker gibt. Das Bild wird auf einem Blatt 40x50 cm gedruckt, wobei Positionierung und Größe des Bildes frei bestimmbar sind. Man kann - mit EPSON-Druckern - direkt auf sogenannten 1,5 mm starken Boards drucken, oder das Blatt auf einen entsprechenden Karton kleben. Meistens reicht aber auch die Stärke gängiger FineArt-Papiere.
Einer der Begründungen der Ausschreibung erfüllen Optische Passepartouts genauso wie Ihre geschnittenen Vorgänger:
„Passepartouts werden einerseits verwendet, um die Betrachtung auf das Kunstwerk zu richten, indem vom Bilderrahmen abgelenkt wird, andererseits gelingt es dadurch auch, ein Kunstwerk in einen Rahmen einzupassen.“ Originalzitat Ende.

In Gesprächen wird von den Verantwortlichen oft auch der Wunsch nach einem einheitlichen Eindruck bei der Ausstellung genannt. Was für ein Unsinn! Erstens kann durch unterschiedliche Farben der PP´s von Lila über Giftgrün bis schwarz und unterschiedlichen Ausschnitten von Polaroid bis fast formatfüllend ein heilloses optisches Chaos geschaffen werden. Die Optischen Passepartouts wirken da per se ruhiger, da sie in der Regel einen weißen Hintergrund haben.
Und zweitens - wieso soll die Bilderschau künstlich vereinheitlicht werden? Es handelt sich um eine Präsentation von unterschiedlichen fotografischen Individuen. Dem sollte man auch Rechnung tragen.
Ein Einblick in Ihre physikalischen Grundkenntnisse geben die Verantwortlichen übrigens mit folgendem Satz: “Außerdem entsteht durch das meist aus starkem Karton bestehende Passepartout ein Abstand zwischen der Verglasung des Rahmens.“ Originalzitat Ende.

Um starke Spiegelungen zu vermeiden werden die Bilder in der Regel unter mattem Glas ausgestellt. Je weiter allerdings ein Objekt von diesem satinierten Gläsern entfernt ist, desto unschärfer wird es abgebildet. Diesen Effekt haben sich Regisseure in alten Filmen zu nutze gemacht um auch mal unbekleidete Weiblichkeit jugendfrei beim Duschen zu zeigen.

Ein weiterer Kritikpunkt an der Ausschreibung ist die Tatsache, dass das Vollformat völlig ausgeschlossen wird - kein Bild von 40X50 cm ist zulässig. Wäre die Ausschreibung justitiabel würde jedes Gericht so etwas übrigens kippen…
Was wäre also die Lösung? Der DVF sollte einfach mal liberal wie ein Künstler und nicht engstirnig wie ein Finanzbeamter denken.
Unter Formate und Aufmachung braucht nur ein Satz zu stehen. „Außenformat 40X50 cm, Bilder unter Passepartout oder auf dünnem Karton.“
Aber vielleicht ist alles doch geplant. Die Präsentation im geschnittenen Passepartout ist deutlich teurer als das Optische Passepartout. Die Teilnehmerzahlen bei SFM/NFM sinken in den letzten Jahren kontinuierlich. Die aufwändigere Durchführung von Printwettbewerben ist den Ehrenamtlichen sowieso ein Dorn im Auge.
So kann man viele Teilnehmer finanziell abschrecken und den ganzen Laden bald wegen geringer Beteiligung schließen um sich dem Mainstream der Dateienschubserei anzuschließen.
Das wäre massentauglich, mit ernsthafter Fotografie hat das dann allerdings nicht mehr viel zu tun…

Manfred Kriegelstein

Ich stimme Manfred im vollen Umfang zu.

Letztes Jahr habe ich bei einen Wettbewerb teilgenommen bei den man die Exponate im Rahmen (40x50 mit Alu Rand) einsenden musste.
Sucht mal eine vernünftige Versandpackung für 3 gerahmte Bilder
Auch wurde ein bereits bezahlter Paketschein gefordert damit man die Bilder zurück schicken kann, Das ist soweit auch in Ordnung.
Aber man kann sich sicher vorstellen das bereits hier der einheitliche Eindruck nicht mehr zu gewährleisten ist.
Gibt es doch viele unterschiedliche Rahmen mit Alu Rand.

Ich denke mal dadurch werden viele Teilnehmer vergrault.
Hatte ich doch eine Investition von ca. 100 €.

PS.
Zurück kamen die Bilder übrigens auch nicht.

Da kann man ja nur zustimmen. Wir fotografieren mit HighTech-Equipment und bei den beiden Wettbewerben geht es leider noch immer ziemlich old-fashioned zu. In meinem Fotoclub sammelt ein Kollege die Bilder mit PPs und schickt sie zusammen in einem Paket ab. Um Porto zu sparen und um die Rücksendung zu erleichtern. Was das "optische Passepartout" betrifft, so beweisen die Bayern doch schon seit Jahren, wie das geht. Wolfgang Elster und Alex Gohlke drucken die ausgewählten Bilder für die Ausstellungen mit dem breiten weißen Rand. Die einheitlichen Drucke sind perfekt, die Ausstellungen wirken sehr professionell, was Besucher immer wieder bestätigen.
Die Vorgabe eines einheitlichen Passepartouts war vor vielen Jahren sicher sinnvoll, aber dann müsste auch die Farbe und Breite vorgegeben werden. Wenn man die Ausstellungen besucht, kann man sich des Eindrucks eines Gemischtwarenladens nicht erwehren. Leute, das ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn Prints eingereicht werden sollen, dann - wie Manfred schreibt - auf einem Blatt im Format 40x50. Dieses Format geht mit einem A2-Drucker perfekt. Der weißen Rahmen kann dann beliebig sein, je nach Format des Bildes. Vielleicht mit einer Mindestbreite von 3 bis 4 cm.
Gruß
Hartmut Faustmann

Du hast vollkommen Recht, lieber Manfred !
Ich hatte diesen Unsinn auch schon reklamiert und habe deshalb nicht mehr teilgenommen. Ergänzend möchte ich feststellen, dass selbst in den Sechzigern derartige Vorschriften nicht bestonden.
Aber vielleicht hat der Verfasser der Ausschreibung auch nur einen zu kleinen Drucker und möchte nicht mit den Besitzern von A2-Druckern und deren Qualität konkurrieren.
Horst Einfinger

Zitat von DVF-LV1 im Beitrag #5

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Mein Fazit: In Print-Wettbewerben freistellen, ob die Werke mit klassischem/geschnittenem oder mit optischem Passepartout eingereicht werden. Ich persönlich ziehe klassische Passepartouts für meine Bilder weiterhin eindeutig vor, weil ein richtig gewähltes Passepartout (z.B. Farbe des Passepartouts, Position des Ausschnitts, Stärke des Kartons) jedes Werk gekonnt und noch wertiger in Szene setzt. Aber das ist tatsächlich mein "old-fashioned" (ich liebe viele alte Dinge ) Präsentationsempfinden.

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Ernsthafte Fotografie fängt natürlich nicht mit dem FineArt-Print an - sie hört damit auf.
FineArt-Prints sind als Königsklasse der Präsentation der krönende Abschluss des fotografischen Werkes.

Im Übrigen habe ich mich lediglich dagegen ausgesprochen, dass bei der NFM/SFM ausschließlich geschnittene PP‘s zugelassen sind.

Ich befürchte auch, dass der Trend zu digitalen Ausrichtungen geht - für die Masse.
Keineswegs für die Klasse - und das ist auch gut so!

Manfred Kriegelstein

Lieber Manfred,

es wird wohl eine Mischung aus beidem sein - Ignoranz und Kalkül!

In einer Präsidiumssitzung im Oktober hatten wir uns darauf verständigt, dass wir es 2021 zumindest einmal testen wollten mit dem optischen PP. Da ich ja Anfang November aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste, hatte ich leider keinen weiteren Einfluss mehr auf die Entscheidungen.
Ich war dann auch sehr erstaunt, als ich die Ausschreibung sah. Aus diesem Grund, und auch wegen des diesjährigen Ausrichters (Vertrauen ist alles - oder auch nichts), habe ich die NFM in diesem Jahr genauso boykottiert wie die DFM.

Auch wenn die Organisation und Logistik bei einem Print-Wettbewerb schwieriger ist als Daten zu schubsen, möchte ich ungern darauf verzichten. Ich habe inzwischen gelernt (und auch verstanden), dass erst das SELBSTGEDRUCKTE Werk das fertige und einzig originale Werk ist. Das Problem bei den meisten Digital-Wettbewerben ist nämlich, dass nur wenige Ausrichter in der Lage sind, den Druck originalgetreu anzufertigen.

Insgesamt bin ich bei allen Punkten voll und ganz deiner Meinung!

Zitat

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"den ganzen Laden bald wegen geringer Beteiligung schließen"

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Das ist wohl eines der möglichen Ziele, wobei ich davon ausgehe, dass einige dabei sind, den ganzen Laden an die Wand zu fahren. Egoismus und Machtgehabe nach altdeutscher Art.

Da der Emscherbruch-Pokal auch nicht mehr das ist, was er mal war, sehe ich zukünftig für Print-Wettbewerbe eh schwarz.

Liebe Grüße, Martin

Ich erfreue mich auch gerne am schönen selbstgedruckten Fineart-Print, dennoch meide ich wegen des Aufwands an Zeit und Geld Wettbewerbe, bei denen man welche einsenden muss. Nach der Rücksendung sitzt man dann nach einigen Jahren auf Bergen von Drucken, die man in diesem Format meist ohnehin nicht mehr aufhängt. Ich verstehe, dass man bei Wettbewerben mit Ausstellung Drucke braucht, wenn man keinen Sponsor für den Druck der ganzen Ausstellung hat. Aber warum ist es denn nicht möglich die Bilder erstmal digital einzusammeln und zu jurieren und dann erst für die Bilder, die ausgestellt werden sollen, einen Print einzufordern? Ich bin sicher, ein großer Teil der Ausgewählten würde diese rechtzeitig zur Ausstellung einreichen. Man kann sich ja noch ein paar Nachrücker in der Hinterhand halten und wenn am Ende ein paar weniger Bilder hängen ist das meist auch kein Beinbruch. Das Jurieren geht meiner Meinung und Erfahrung nach in der Beamerprojektion auch besser als mit ausgelegten Drucken, aber das ist vielleicht Geschmacksache. Warum gedruckte Passepartouts nicht zugelassen sein sollen, verstehe ich eigentlich nicht, zumal dann nicht wenn die Bilder wie so häufig hinter ein Glas gerahmt werden.
Schöne Grüße, Ralph

Beamerprojektion ist zum Jurieren absolut ungeeignet. Das weiß jeder, der mal bei einer solchen Jury hinter den Akteuren saß und feststellte, dass das Bild auf dem Laptop (ja, selbst auf dem!) besser ist als die Projektion an der Wand. Etwas geeigneter sind da schon Hochleistungsmonitore. Beide Methoden zeigen aber natürlich nur das Abbild eines Bildes - niemals das Bild selbst. Ich hoffe, es glaubt niemand mehr an die vielbeschworene Kalibrierung...
Der FineArt-Print ist das Ergebnis des Werkes das der Künstler vom Auslösen bis zum Druck selbst (hoffentlich!) geschaffen hat. Da gibt es auch kein "Outsourcen". Das Ausdrucken von Dateien der Teilnehmer durch den Veranstalter ist Mainstream (sehr abhängig vom Sponsor...) aber es killt die Individualität des Künstlers. Die Wahl des Papiers, die Abstimmung der Druckparameter und die Art der Präsentation gehören in die Hand des Autoren.
Ich habe auch noch nie erlebt, dass eine ernstzunehmende Galerie einem Künstler eine Ausstellungsmöglichkeit auf Grund von Bilddateien auf dem Handy oder iPad einräumen würde.

Manfred Kriegelstein

Für die Ausstellung erkenne ich den Wert des Fineart-Drucks natürlich ausdrücklich an, aber ich glaube kaum, dass ein wirklich gutes Bild unbedingt einen Fineart-Druck benötigt, um bei einer Jurierung zu überzeugen. So schlecht sind die Beamer nun wirklich nicht und die leichten Verschiebungen an Farbwerten, die man bei einem guten und gut eingestellen Beamer vielleicht hat werden wohl kaum ein Bild so verunstalten, dass es bei der Jurierung durchfallen würde. Es gibt herausragende Wettbewerbe, wie z.B. der Europäische Naturphotograf des Jahres der GDT oder der Sony World Photography Award, die ausschließlich online am Bildschirm bzw. Beamer juriert werden. Ich glaube nicht, dass bei der Bewertung als Fineart-Druck eine höhere Qualität dabei herauskommen würde. Auch beim DVF sehe ich beim Ergebnis keinen Qualitätsunterschied zwischen den Wettbewerben, die als Fineart-Druck juriert worden sind und denen, bei denen die Einreichungen online erfolgten. Eher ist das Ergebnis bei letzteren besser, da mehr Einsendungen vorhanden sind und die Jury weniger das Problem hat zur Erreichung der vorgegebenen Quote Bilder anzunehmen, die bei einer größeren Zahl an Einsendungen wahrscheinlich durchgefallen wären.
Schöne Grüße, Ralph

Das Problem ist, dass die Einsendungen sich den Bedingungen anpassen. Es werden überwiegend "Eyecatcher" eingereicht um den Projektionsbedingungen mit Standseiten im Sekundenbereich gerecht zu werden. Anders lassen sich bei großen Wettbewerben die Massen nicht verwalten. Ich weiß wovon ich rede, war oft genug in einer solchen Jury. Ich habe mal den Satz geprägt "Digitalwettbewerbe wären etwas für Dali gewesen - Printwettbewerbe für Turner".
Die zarten Bilder, deren Wert sich nicht auf den ersten flüchtigen Blick erschließt, können nur durch ein Aufsichtsbild vollständig zur Geltung kommen. Natürlich sind die Unterschiede nicht riesengroß, aber wie oft im Leben - die letzten zehn Prozent unterscheiden die Klasse von der Masse!
Du erkennst den Wert des FineArt-Drucks für die Ausstellung an - aber worum geht es den anderes, als um Ausstellungen? Wie wichtig es dann auch ist, dass die Ausführung des Prints bei den Autoren bleibt hatte ich ja schon ausgeführt.

Manfred Kriegelstein

Ein ganz wichtiger Punkt sollte nicht vergessen werden:

Die Auswahl des Papiers spielt keine unwichtige Rolle bei der Jurierung von Print-Wettbewerben. Das habe ich als Juror bei der Jurierung einer Lafo von Norbert Senser lernen dürfen. Da war es ganz knapp zwischen 2 Bildern, als es um die letzte Medaille ging. Er konnte mich überzeugen mit dem Argument, dass sich der Autor in Bezug auf das Motiv ganz viel bei der Auswahl des Papiers gedacht hatte. Die Struktur des Papiers hätte die des Motivs sein können.

Es ist also so etwas wie der letzte Feinschliff bei der Veredelung des Gesamtwerkes. Genau wie die Auswahl eines PP´s oder die Entscheidung, ob dieses nicht auch optisch sein kann.

Mein Interesse ist es doch auch, dass Wettbewerbe auch ausgestellt werden, und dass dort schön produzierte Bilder hängen. Ich mache mich aber, wie schon oben ausgeführt, dafür stark, dass für die Jurierungsphase digitale Einreichungen ausreichend sein sollten und die Drucke nur für die ausgewählten Bilder eingefordert werden.
Klar, mehr Einsendungen bedeutet bei der Jurierung oft weniger Aufmerksamkeit für das einzelne Bild. Aber das muss nicht sein. Bei der GDT, wo ich zweimal mitjurieren durfte, haben wir beispielsweise in mehreren Runden gearbeitet, wobei bei der ersten Runde, die jeder für sich zu Hause gemacht hat, nur eine Reduzierung der Bildmenge erreicht werden sollte. Hier sind wirklich nur die offensichtlich chancenlosen Bilder durchgefallen. Hier hatte auch jeder in der Jury soviel Zeit wie er/sie wollte. Die weitere, dann gemeinsame Runde bot dann ausreichend Zeit pro Bild, da es nicht mehr tausende waren und am Ende sind wahrhaftig nicht nur die klassischen Eyecatcher durchgekommen. Wenn die Jury vielfältig zusammengesetzt ist und einen Blick für außergewöhnliche Bilder hat, dann funktioniert das auch und liefert hervorragende Ausstellungen.
Schöne Grüße, Ralph