Die konzeptuelle, die künstlerische Fotografie wird häufig als die erstrebenswerte, höchste Stufe der Fotografie angesehen.

Auch im DVF ist die „… Pflege, Förderung und Weiterentwicklung der künstlerischen Gestaltung und der Bildaussage in der Fotografie …“ eine satzungsgemäße Aufgabe des Verbands. Aber was ist konzeptuelle, künstlerische Fotografie?

Nun, sie ist per se nicht besser als die gut ausgeführte, angewandte Fotografie mit ihren Genres wie z.B. Dokumentar-, Reportage-, Porträt-, Industrie-, Architektur-, Werbe-, Mode-, Akt-, Natur- und Landschafts- und selbst Experimentelle Fotografie. Vielmehr sind genau diese fotografischen Genres Teil, oft auch Ausgangspunkt für die Interpretation eines Moments, einer Idee, einer Vision. Und genau diese, nicht selten unerwartete, überraschende Interpretation ist der eigentliche Kern der konzeptuellen, der künstlerischen Fotografie.

Zwei ARTE-Beiträge bieten auf YouTube einen hilfreichen und kurzweiligen Einstieg in die Thematik.

ARTE-Beitrag: Konzeptuelle Fotografie

ARTE-Beitrag: Die Fotografie nach der Fotografie

Es wäre schön, wenn sich aus diesem Initialbeitrag eine rege Diskussion entwickeln würde, insbesondere unter Beteiligung der Mitglieder, die sich verstärkt oder ausschließlich der konzeptuellen/künstlerischen Fotografie verbunden fühlen. Und davon gibt es einige allein im Landesverband Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern.

Ich kann mich für konzeptionelle Fotografie begeistern, auch weil wir im Verband tolle Fotografinnen und Fotografen haben, die sich diesem Genre widmen. Ich teile aber auch das Unbehagen von Uwe. Er möchte der konzeptionellen Fotografie keinen höheren Stellenwert einräumen als den anderen von ihm genannten Genres der Fotografie. Schon gar nicht kann es darum gehen zu sagen, konzeptionelle Fotografie sei per se jedem anderen fotografischen Genre „überlegen“. Es handelt sich um verschiedene Kategorien, die man nicht mit einem Qualitätsurteil abgrenzen kann. 

Der Obergriff ist Kunst. Konzeptionelle Fotografie, der es mehr oder ausschließlich um die Vermittlung einer abstrakten Idee geht, kann gut oder schlecht gemachte Kunst sein. Eine Portrait- oder Landschaftsaufnahme, bei der es vor allem um ästhetische Gesichtspunkte geht, kann gute oder schlechte Kunst sein, kann gut oder schlecht gemacht sein. Die genannten fotografischen Genre können alle der Kunst zugerechnet werden, wenn der Fotograf oder die Fotografin die Aufnahmen mit einem künstlerischen bzw. gestalterischen Anspruch verbindet.

Und natürlich sind auch die Momentaufnahmen eines Cartier-Bresson Kunst, da sie einerseins gezielt den Eindruck der Momentaufnahme vermitteln und andererseits eine Wirkung auf unsere Sinne entfalten, der die bewußte Entscheidung des Fotografen zugrunde liegt, eben diesen Moment aus dem Fluss der Zeit herauszugreifen. Nur rein dokumentarische Fotos würde ich zunächst dem Bereich der Kunst nicht zuordnen, wenn es dem Fotografen oder der Fotografin „nur“ um das Festhalten einer bestimmten Szene geht. Aber auch hier gibt es Bilder, die ästhetisch so gelungen sind oder die soziale Lage einer ganzen Bevölkerungsschicht in einem kleinen Ausschnitt so treffend oder umfassend widerspiegeln, dass ihnen die Nachwelt eine künstlerische Qualität zuschreibt. Die Fotografin wollte keine Kunst machen. Sein/Ihr Werk wird gegen die ursprüngliche Absicht in den Kunsthimmel gehoben. Ich bleibe aber dabei, dass es auch Fotografie gibt, die keine Kunst ist. Dort wo Fotografie nur registriert was ist, ist sie keine Kunst. Ohne gestalterische Absicht des Fotografen - wie auch immer sie sich manifestiert - ist Fotografie keine Kunst.

Ganz wichtig zu betonen ist mir, dass es fließende Übergänge gibt zwischen konzeptioneller Fotografie und mehr auf eine ansprechende Ästhetik orientierte Fotografie, die sehr bereichernd sein können. Konzeptionelle Fotografie kann sehr minimalistisch sein, fast abstrakt oder ohne einen abgebildeten Gegenstand, den man auf den ersten Blick einordnen kann. Konzeptionell geht aber auch anders, wie uns die Aufnahmen eines Ralf Gräf überzeugend zeigen.



Die Frage wann Fotografie Kunst ist, hängt eng mit Frage zusammen, wessen Fotografie überhaupt als Kunst eingestuft wird. Es ist meiner Meinung nach nicht zu vertreten, künstlerisch ausgerichtete Profifotografen generell und ohne das eine Nachfrage erlaubt ist, als Kunstschaffende einzustufen, während dem sogenannten Amateur die Fähigkeit zur Kunst oft per se abgesprochen wird. Das hat mit Elitebewußtsein zu tun. Dem Beuys Zitat: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ liegt der Satz von Novalis zugrunde: „Jeder Mensch kann ein Künstler sein“. Ich verstehe, dass die professionell Kunstschaffenden so viel „Konkurrenz“ gar nicht gerne sehen. Auch Amateure können Künstler sein. Und sind es meistens auch. Daran geht kein Weg vorbei.

Eine nicht ganz kleine Herausforderung ist, wie wir mit den verschiedenen fotografischen Genres in Wettbewerben umgehen. Mittlerweile ist allen klar, dass der eingesetzte Umfang der Bildbearbeitung als Differenzierungskriterium nicht mehr taugt. Ich habe aber Zweifel, ob wir mit den gängigen Themensparten der konzeptionellen Fotografie gerecht werden. Eine Kategorie wie „Freies Thema“ stellt mich begrifflich noch nicht ganz zufrieden. Aus meiner Sicht trifft das nicht den Wesenskern der Ergebnisse, die viele erfolgreich konzeptionell orientierte Fotografinnen und Fotografen im DVF vorlegen.

Damit schließe ich mich gern der Einschätzung von Bodo an, der mit Recht die digitalen Möglichkeiten der Bildbearbeitung für sein künstlerisches Schaffen einsetzt und schätzt. Mit der digitalen Bildbearbeitung hat die Fotografie heute mit den grenzenlosen Gestaltungsmöglichkeiten der bildenden Künste gleichgezogen. Die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung nicht zu nutzen, wäre wie ein Beschnitt unserer künstlerischen Freiheit. Und das wollen wir nicht.